Im „Trude Kuh“ TV-Studio im Saterland sprachen Norbert Hase, Gründungsmitglied, und Thorsten Boomhuis, Vorsitzender des PingPongParkinson Deutschland e. V., mit Moderator Georg Mahn über ihre Arbeit und ihre persönliche Geschichte. Beide Männer leben seit Jahren mit der Diagnose Parkinson. Norbert erhielt sie im Jahr 2008 mit 40 Jahren, Thorsten 2013 im Alter von 38. Ihre Reaktionen auf die Nachricht waren grundverschieden: Während Thorsten die ersten sechs Jahre die Krankheit weitgehend verdrängte, begann Norbert sofort zu recherchieren und sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen.
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Das führt zu Symptomen wie Zittern, Bewegungsverlangsamung oder dem sogenannten Einfrieren. Rund die Hälfte der Betroffenen zeigt kein Zittern – so auch Norbert, der sich als „Einfrier-Typ“ beschreibt. Die medikamentöse Therapie basiert seit Jahrzehnten auf Dopamin, doch bahnbrechende Fortschritte bei neuen Medikamenten sind rar. Bewegung dagegen kann viel bewirken – und genau hier setzt der Verein PingPongParkinson an.
Tischtennis bietet nicht nur körperliche Aktivität, sondern trainiert auch Koordination, Reaktionsfähigkeit und das Gehirn. Der Sport zwingt zu ständiger Anpassung an unvorhersehbare Spielsituationen – eine ideale Kombination aus motorischem und kognitivem Training. Für Norbert und Thorsten wurde Tischtennis zu einer Art Lebenselixier, das ihre Lebensqualität deutlich verbessert hat.
Vom US-Projekt zur deutschen Erfolgsgeschichte
Die Idee zu PingPongParkinson stammt von Nenad Bach, einem kroatischstämmigen Musiker in den USA. Nachdem er aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung nicht mehr musizieren konnte, griff er zum Tischtennisschläger – und erlebte eine erstaunliche Besserung seiner motorischen und geistigen Fähigkeiten. So gründete er 2017 den ersten Verein in den USA und organisierte 2019 in New York die erste Weltmeisterschaft gemeinsam mit der Internationalen Tischtennisföderation. Thorsten Boomhuis nahm daran teil, wurde Vizeweltmeister und war beeindruckt vom Gemeinschaftsgefühl unter den Teilnehmenden.
Zurück in Deutschland fasste er gemeinsam mit Harry Wissler den Entschluss, PingPongParkinson hierzulande aufzubauen. Heute zählt der Verein knapp 2900 Mitglieder und will in den nächsten Wochen die 3000er-Marke knacken. Über 240 Stützpunkte in ganz Deutschland bieten regelmäßiges Training und Veranstaltungen. Das Ziel ist klar: Betroffene sollen aus der Isolation geholt werden. Denn der erste Schritt in die Halle, so betonen beide, ist oft der schwierigste – doch danach ändert sich vieles.
Große Events spielen eine wichtige Rolle in der Vereinsarbeit. Die nächste Weltmeisterschaft findet im Oktober in Italien statt, rund 100 Kilometer nordöstlich von Venedig. Fast eine Woche lang messen sich dort etwa 300 Teilnehmende in sechs Leistungsklassen. Für viele ist es nicht nur ein sportlicher Wettkampf, sondern auch eine Gelegenheit, Gleichgesinnte aus aller Welt zu treffen, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu motivieren.
Medizinische Anerkennung und gesellschaftliche Wirkung
Als Norbert Hase Ärzten erzählte, dass Tischtennis seine beste Therapie sei, wurde er zunächst belächelt. Lange Zeit galt sportliche Aktivität sogar als problematisch, weil sie angeblich Dopamin verbrauche. Heute hat sich dieses Bild grundlegend gewandelt. Führende Neurologen und Kliniken in Deutschland unterstützen PingPongParkinson, und in vielen Fachkliniken gehören mittlerweile drei bis fünf Tischtennistische zur Standardausstattung. Physiotherapeuten integrieren den Sport gezielt in ihre Therapiepläne, weil er Motorik, Balance und Reaktionsvermögen gleichermaßen fördert.
Der Verein arbeitet eng mit wissenschaftlichen Institutionen wie der Universität Münster, der Sporthochschule Köln und der Universität Dresden zusammen, um die positiven Effekte zu belegen. Bemerkenswert ist auch, dass die Anzahl der medikamentösen Therapieansätze seit Bestehen des Vereins stark gestiegen ist – ein Umstand, den die Beteiligten für mehr als nur einen Zufall halten.
Neben der medizinischen Wirkung hat der Verein eine klare soziale Mission: Betroffene sollen nicht allein zu Hause bleiben, sondern Teil einer Gemeinschaft werden. Die Mitgliedschaft kostet nur zwölf Euro im Jahr, um allen den Zugang zu ermöglichen. Angehörige spielen dabei eine Schlüsselrolle – oft sind sie es, die die Betroffenen buchstäblich „beim Schlawittchen packen“ und mit in die Halle nehmen.
Die mediale Präsenz ist für die Arbeit des Vereins entscheidend. Berichte in großen Sendern wie Sat.1, NDR oder WDR haben dazu beigetragen, das Thema bekannter zu machen und Vorurteile abzubauen. 2024 erhielt PingPongParkinson die niedersächsische Sportmedaille – eine Auszeichnung, die normalerweise traditionsreichen Vereinen mit einer langen Geschichte vorbehalten ist. Für einen so jungen Verein ist das eine bemerkenswerte Anerkennung der bisherigen Arbeit.
Die Botschaft, die Norbert Hase und Thorsten Boomhuis im Interview hinterließen, ist deutlich: Wer sich mit Parkinson versteckt, verliert doppelt – an Lebensqualität und an Chancen. Wer jedoch aktiv wird, erlebt nicht nur körperliche Verbesserungen, sondern gewinnt Gemeinschaft, Lebensfreude und neuen Mut. PingPongParkinson zeigt, dass eine Sportart so viel mehr sein kann als ein Zeitvertreib – sie kann zu einem entscheidenden Baustein im Leben mit einer chronischen Krankheit werden.