Ivonne Fennen und Karina Bloem von Sternenkinder Ostfriesland-Emsland zu Gast im TV-Studio bei „Trude Kuh“

Ein Kinderzimmer, das still bleibt. Ein Lachen, das nie erklingen wird. Ein ganzes Leben, das man sich ausgemalt hat und das endet, bevor es richtig begonnen hat. Der Verlust eines Kindes während der Schwangerschaft, bei oder kurz nach der Geburt ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die Eltern machen können. Es ist eine leise Trauer, die in der lauten Welt oft keinen Platz zu finden scheint, ein Schmerz, der von außen kaum zu ermessen ist. In Deutschland starben allein im vergangenen Jahr rund 2.200 Kinder im ersten Lebensjahr – eine Zahl, die das individuelle Leid dahinter nur erahnen lässt. Obwohl die Säuglingssterblichkeit statistisch um 0,3 Prozent zurückgeht, sagt dies nichts über den Schmerz und die Verzweiflung der Eltern aus. Umso wichtiger sind Menschen und Organisationen, die genau in dieser Zeit der inneren Leere und Verzweiflung Halt geben. Zwei dieser beeindruckenden Persönlichkeiten waren kürzlich zu Gast in den TV-Studios von „Trude Kuh“. Redaktionsleiter Georg Mahn sprach mit Ivonne Fennen und Karina Bloem vom Verein Sternenkinder Ostfriesland – Emsland über ein Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient.

Wenn der Boden unter den Füßen wegbricht: Sternenkinder Ostfriesland/Emsland als Anker

Für viele mag der Name „Sternenkinder Ostfriesland / Emsland“ zunächst unbekannt sein, doch die Arbeit des Vereins geht tief und berührt die Schattenseiten des Elternglücks. Ivonne Fennen, selbst Fachkinderkrankenschwester für Intensivpflege und Anästhesie und 2010 von einem Schicksalsschlag betroffen, gründete den Verein 2024, da sie sah, dass Eltern nach der Klinik oft allein gelassen wurden. Karina Bloem, die 2020 in der 20. Schwangerschaftswoche einen Verlust erlitt und dadurch zu Ivonne fand, weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig ein offenes Ohr und ein geschützter Raum in dieser Zeit sind. Sie beschreibt den Zustand, in dem sich viele Eltern wiederfinden: „Man fühlt sich leer, hilflos und vor allem allein.“ Fragen wie „Kann ich jemals wieder lachen?“ oder „Wie soll ich damit klarkommen?“ beherrschen den Alltag. Der Verein bietet genau hier eine Anlaufstelle. In Vorgesprächen, die Ivonne mit allen Betroffenen führt, wird sensibel ausgelotet, ob eine Gruppe oder zunächst Einzelgespräche der richtige Weg sind, denn jeder Mensch und jede Trauer ist individuell. Das oberste Ziel ist es, den Betroffenen das Gefühl zu geben: Du bist nicht allein. Es gibt andere, die Ähnliches durchlebt haben und verstehen, was in dir vorgeht, ohne dass man die ganze Geschichte von vorn erzählen muss. Die neue Gruppe des Vereins, die dieses Jahr gestartet ist, begleitet auch Paare, also Mütter und Väter, gemeinsam.

Rituale des Abschieds und Symbole der Erinnerung

Ein zentraler Aspekt der Trauerarbeit ist ein würdevoller Abschied. Ivonne und Karina betonen, wie wichtig es ist, dem Kind einen Namen zu geben und eine Beerdigung zu gestalten. Dies hilft, das Geschehene zu realisieren und einen Platz für die Trauer zu schaffen. Im Studio zeigten sie bewegende Beispiele, wie der Verein dabei unterstützt. Dazu gehören winzige, handgefertigte „Nestchen“, die für Sternenkinder unterschiedlicher Schwangerschaftswochen (z.B. ab der 12. oder 20. Woche) liebevoll gebettet werden können. Karina, die ihren Verlust in der 20. Woche erlebte, erklärt die Bedeutung dieses sichtbaren Abschieds: „Wenn man es dann wirklich sieht, wird einem bewusst: Es war ein vollständiger Mensch, es ist alles dran.“ Viele Eltern befürchten, etwas verpasst zu haben, wenn sie keine Beerdigung hatten. Doch auch hier kann der Verein helfen, denn oft ist auch im Nachhinein noch vieles möglich, etwa indem man ein Kind aus einer Sammelbestattung der Kliniken herausholt, um ihm eine eigene Zeremonie zu widmen. Ivonne betont, dass die Intensität der Trauer nicht von der Schwangerschaftswoche abhängt, sondern von den individuellen Umständen. Neben diesen Ritualen spielen auch Symbole eine große Rolle. Sie präsentierten kleine Erinnerungsarmbändchen – eines für das Baby, eines für die Mutter, und auch für den Vater – sowie zwei Schmetterlinge, die die Verbindung symbolisieren. Eine besonders persönliche Geschichte verband Ivonne mit einer weißen Feder, die für sie zu einem Gruß aus dem Himmel geworden ist und ihr Kraft für ihre Arbeit gibt. Karina erzählte zudem, dass sie ihre Erinnerungen in einer Kiste aufbewahrt, die jederzeit zugänglich ist, um die Schwere nicht täglich präsent zu haben. Auf die Frage nach der Kinderzahl antwortet sie oft: „Ich habe ein Kind an der Hand und ein Kind im Herzen.“

Den Blick nach vorn richten, ohne zu vergessen

Die Trauer um ein verlorenes Kind endet nie, aber sie verändert sich. Der Verein Sternenkinder Ostfriesland / Emsland möchte Eltern dabei helfen, Perspektiven zu entwickeln und wieder Frieden zu finden. „Frieden finden bedeutet aber nicht, die Erinnerung ausblenden“, stellt der Moderator klar, was von den Gästen bestätigt wird. Es geht darum, einen Weg zu finden, die Erinnerung im Herzen zu tragen, ohne dass die Schwere den Alltag erdrückt. Karina richtete eine Erinnerungskiste her, die sie jederzeit hervorholen kann, um die Schwere nicht täglich präsent zu haben. In den Gruppen wird auch ganz Praktisches thematisiert: Wie gestalte ich den ersten Geburtstag des Kindes? Wie gehe ich mit taktlosen Sprüchen aus dem Umfeld um, wie „Du bist noch jung, du kannst es noch mal probieren“? Ein wichtiger Baustein ist die Selbstfürsorge, denn Trauer kostet unendlich viel Kraft. Der Verein organisiert zudem einmal jährlich einen Sternenkindergottesdienst, der den Familien hilft, gesehen zu werden. Die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins zeigt unterschiedliche Reaktionen: Ältere Frauen äußern oft den Wunsch, damals eine solche Unterstützung gehabt zu haben, während andere das Thema meiden, da es noch immer ein Tabu ist