Bettina Reichel und Sven Scheuermann von der „Tiertafel Ludwigsburg Heilbronn“ live zugeschaltet

Wenn das eigene Tier plötzlich Hunger leidet, weil der Geldbeutel nicht mehr reicht, dann ist die Not groß. In dieser Situation springt die Tiertafel Ludwigsburg/Heilbronn ein. Gegründet im Jahr 2019 von Bettina Reichel und Sven Scheuermann, hat der Verein längst eine zentrale Rolle übernommen, wenn es darum geht, Tierhalterinnen und Tierhalter in schwierigen Lebenslagen zu unterstützen. Im Gespräch mit Georg Mahn, Redaktionsleiter der „Trude Kuh“-Vereinsförderung, waren die beiden live aus Steinheim zugeschaltet und gaben Einblicke in ihre Arbeit, die Herausforderungen im Alltag und die besonderen Geschichten hinter den Zahlen. Die Fakten sprechen für sich: Rund 50 Mitglieder gehören heute zur Tiertafel, 25 davon sind aktiv im Einsatz. Versorgt werden derzeit 61 Tierhalter mit insgesamt 97 Tieren – Hunde, Katzen und manchmal auch Kleintiere, die ohne das Engagement des Vereins Gefahr laufen würden, ihr Zuhause zu verlieren. Im Lager in Steinheim an der Murr, auf 70 Quadratmetern, stapeln sich die Futtersäcke und Zubehör. Hier wird sortiert, kommissioniert und verteilt. Das klingt organisatorisch, doch hinter jeder Zahl steht ein Schicksal, hinter jedem Futtersack eine persönliche Geschichte.

Wenn Notlagen Mensch und Tier treffen

Im Gespräch schilderte Bettina Reichel eindrücklich, wie schnell Menschen unverschuldet in eine Situation geraten können, in der das Geld für das Nötigste fehlt. Krankheit, Jobverlust, Trennung oder eine Rente, die hinten und vorne nicht reicht – Gründe gibt es viele. Gerade Tierhalter trifft es besonders hart, denn sie tragen Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für ein Lebewesen, das von ihnen abhängig ist. „Niemand soll sein Tier abgeben müssen, nur weil das Geld nicht mehr reicht“, brachte Sven Scheuermann die Motivation auf den Punkt. Die Tiertafel hilft dort, wo Sozialhilfe, Grundsicherung oder Wohngeld allein nicht ausreichen. Voraussetzung für eine Unterstützung ist, dass das Tier bereits vor Eintritt der Notlage Teil des Haushalts war. So soll verhindert werden, dass Tiere angeschafft werden, nur um über die Tiertafel versorgt zu werden. Doch die Nachfrage ist groß, größer als die Möglichkeiten. Deshalb musste der Verein eine Warteliste einführen. Wer Hilfe braucht, meldet sich, füllt ein Formular aus und wird aufgenommen, sobald ein Platz frei wird. Dieser bürokratische Schritt sei notwendig, erklärte Reichel, weil die Ressourcen begrenzt sind. „Wir möchten jedem gerecht werden, aber wir können nur das verteilen, was wir bekommen“, sagte sie im Interview.

Ehrenamt als tragende Säule

Die Tiertafel ist ein Paradebeispiel für ehrenamtliches Engagement. Ohne die Helferinnen und Helfer würde nichts funktionieren. Manche fahren regelmäßig ins Lager, um Spenden zu sortieren, andere kümmern sich um Transporte oder helfen bei Veranstaltungen. Wieder andere unterstützen in der Öffentlichkeitsarbeit, pflegen die Website oder die Social-Media-Kanäle. „Es ist eine Gemeinschaft, die weit über das Verteilen von Futter hinausgeht“, beschrieb Scheuermann die Arbeit. Denn die Hilfe beschränkt sich nicht auf die Tiere. Sie erreicht auch die Menschen, die in schwierigen Situationen oft mit Scham oder dem Gefühl der Isolation zu kämpfen haben. Wer zur Tiertafel kommt, findet nicht nur Unterstützung, sondern auch Verständnis. Das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden, sei für viele ebenso wichtig wie das Futter für Hund oder Katze. Georg Mahn hakte im Gespräch nach, wie Menschen selbst aktiv werden können. Die Antwort war klar: Jeder, der etwas Zeit übrig hat, kann mitmachen. Ob jung oder alt, ob mit Muskelkraft beim Tragen oder mit Kommunikationsgeschick in der Öffentlichkeitsarbeit – jede Hand wird gebraucht. Besonders wertvoll sei es, wenn sich Menschen langfristig einbringen. Denn gerade die Kontinuität, das Verlässliche, mache die Tiertafel zu einem sicheren Anker für Tierhalterinnen und Tierhalter.

Notfellchen und die Kraft der Patenschaften

Doch es gibt Situationen, in denen Futterspenden allein nicht reichen. Wenn ein Tier krank wird, wenn Medikamente oder spezielles Diätfutter notwendig werden, dann entstehen schnell hohe Kosten, die die betroffenen Halterinnen und Halter schlicht nicht stemmen können. In diesen Momenten greift die Tiertafel zu einem besonderen Instrument: den Patenschaften. Unter dem Begriff „Notfellchen“ sammeln die Verantwortlichen gezielt Spenden für einzelne Tiere, die dringend Hilfe brauchen. Tierfreunde können hier direkt Verantwortung übernehmen – mit einem festen monatlichen Beitrag oder einer einmaligen Unterstützung. Die Paten erhalten im Gegenzug regelmäßige Informationen über das Tier, dessen Geschichte sie ein Stück weit mitschreiben. „Es geht darum, dass ein Tier nicht leiden muss, nur weil der Halter krank geworden ist oder plötzlich ein Medikament über 100 Euro im Monat kostet“, erklärte Reichel. Die Resonanz sei berührend. Immer wieder gebe es Menschen, die spontan helfen und damit zeigen: Solidarität funktioniert auch über die eigenen vier Wände hinaus. Für Mahn war dieser Punkt ein entscheidender Moment des Gesprächs. Denn er machte deutlich, dass die Tiertafel nicht nur eine logistische Einrichtung ist, sondern auch eine Brücke zwischen Tierfreunden in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Wer mehr hat, gibt ein Stück ab. Wer weniger hat, bekommt Unterstützung. In dieser Balance liegt die besondere Stärke des Vereins.